Tässle/ Tesseln
Unter Tesseln sind Holzstücke oder –stäbe zu verstehen, die mittels eingekerbter Zeichen juristische Tatsachen festhalten.
Sie waren in einem Wirtschaftsystem, das zu einem großen Teil auf Gemeinschaftsbesitz aufbaute, unabdingbar. Die Tesseln verzeichneten als Holzurkunden genaue Rechte und Pflichten der Gemeindemitglieder und schützten so vor Benachteiligung oder Übervorteilung. Sie waren fälschungssicher, indem der Holzstock mit den Kerben geteilt wurde oder eine kleinere Tessel (Beitessel) bei einem Partner des Rechtsgeschäfts verblieb. Nach ihrem Verwendungszweck werden die Tesseln in vier Gruppen eingeteilt. Die „Pflichthölzer“ oder „Kehrtesseln“ verzeichnen eine Leistung (Kehr), die für die Gemeinde zu erbringen ist, wie die Übernahme einer Nachtwache oder des Amtes des Alpvogts. Die „Abrechnungshölzer“ stellen eine Art Buchführung dar. Im bäuerlichen Betrieb besonders wichtig war die Abrechnung der Milch, die die Kühe den Sommer über auf der Gemeinschaftsalpe geliefert hatten. „Forderungs- und Quittungshölzer“ bestätigen ein Bestehen von Schuld oder die Erfüllung einer Verpflichtung. „Rechtsamehölzer“ halten die Mitgliedschaftsrechte an Kooperationen und Geteilschaften fest, etwa die Anteile an der Gemeindealpe oder die Menge an Wasser, die für die Bewässerung der eigenen Wiesen abgeleitet werden darf. |
Quelle: Ur-Ethnographie Auf der Suche nach dem Elementaren in der Kultur Die Sammlung Eugenie Goldstern