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Kultur | Religion

Aus dem religiösen Leben von Walsern und Wallisern

Die Walser waren wahrscheinlich noch stärker als ihre Ahnen in der Urheimat der unbarmherzigen Natur: Kälte, Sturm, Schnee und Lawinen im Winter, Trockenheit und Dürre oder anderer Unbill im Sommer ausgeliefert. Es brauchte zweifelsohne Menschen, die dieser Herausforderung Stand halten konnten. Der Glaube der Ahnen, wie sie ihn in der Urheimat gekannt und praktiziert hatten, gab ihnen wohl die feste Stütze und die Sicherheit.

Der erste Redaktor von «Wir Walser», Ernst Schmidt, schrieb sehr treffend zu einer solchen Geisteshaltung: «Wenn die alten Griechen in grösseren Gruppen in fremde Länder zogen, um dort Kolonien zu gründen, nahmen sie als Symbol des moralischen Zusammenhanges mit der Stammheimat aus dem Rathaus der Mutterstadt einen Feuerbrand mit, an dem sie das Herdfeuer der Kolonie entzündeten. Und nie vergassen sie, die Penaten mitzunehmen, ihre Hausgötter, die sie auch in der neuen Heimat als treue Beschützer verehren wollten».

Diese gleiche Grundhaltung zu ihrem Ursprungsland mag die Walser beseelt haben, wenn sie mit dem Wallis geistig und religiös in Verbindung blieben.

Im Urbild des hl. Theodul haben die Walser vorerst eine bleibende Identifikationsfigur in einer einprägsamen, anschaulichen Form gefunden. Weitere verehrte Heilige sind der hl. Nikolaus oder der hl. Mauritius. Die Basilika der Märtyrer der Thebäischen Legion in St. Maurice übt bis heute ihren Einfluss aus.

Konkreter und individueller blieben die Kontakte mit der Urheimat in Erinnerung bei Wallfahrten. Sie nahmen oft mehrere Tage in Anspruch und waren mit bemerkenswerten körperlichen Strapazen verbunden. Die Pilgerfahrt konnte als Einlösung eines Versprechens, eines Gelübdes, als Danksagung für erhaltene Gunst geschehen oder aus allgemein religiös oder traditionell bedingten Beweggründen heraus.

Solche Überlegungen sollen andeutungsweise in einigen feststellbaren Beziehungen zwischen dem Wallis und Oberitalien dargelegt werden. Zurück in die Urheimat zur Muttergottes zog es jahrhundertelang die Bewohner von Ornavasso nach Glis. Dass die Pilger bei dieser Gelegenheit auch die Ursprungsgemeinde Naters besuchten, ist naheliegend. Am 8. September feiert die Pfarrei Saas-Fee ihr Kapellenfest zur Hohen Stiege. Noch bis in unsere Tage nehmen daran Delegationen oder Einzelpersonen aus Macugnaga teil. Nach dem 2. Weltkriege war die Teilnehmerzahl besonders gross. Die Bewohner aus dem Pomatt  zogen auf ihrer anspruchsvollen und eine Woche dauernden Wallfahrt vorerst nach Münster, wo sie meist auch Verwandte trafen. Noch weiter und strenger war die Herausforderung für die Bewohner von Bosco-Gurin, die sich oft mit jenen aus dem Pomatt vereinigten. Sie hatten noch eine zusätzliche Anstrengung über die steile Guriner Furka zu leisten. Die Wallfahrer kamen meist im Juni. Sie besuchten zuerst die Kapelle Heiligkreuz im Binntal, zogen talabwärts zur Wallfahrtskapelle Zen Hohen Flühen bei Mörel und erreichten dann die erste grosse Kirche, jene von Glis. Nach weiteren Tagen grüssten endlich die Hügel von Sitten und die Kathedralen in der Stadt und auf Valeria.

Nicht nur zur Urheimat fanden Kontakte statt. Intensiv waren sie auch unter den Walsern. Die Kirchen, Kapellen und Altäre in den Walserorten sind oft mit «Walliserheiligen» geschmückt und Reliquien aus den Kirchen von Sitten waren begehrte Zeichen der religiösen Verbundenheit mit der Urheimat. Die entfernteren Walserorte ihrerseits bevorzugten aus praktischen Gründen meist Walser Gotteshäuser, die ebenfalls die Aufgabe von Wallfahrtsorten übernommen haben. So pilgerten Walser bis ins 18. Jahrhundert zum Theodul nach Davos. In Graubünden erinnert die Gemeindeordnung von Obersaxen noch im Jahre 1730 an die Ahnen aus dem Wallis und erklärt die Tage von St. Joder und St. Anton als Feiertage, und die Wallfahrt zum heiligen Theodul aus Vorarlberg nach Sitten blieb bis ins 18. Jahrhundert lebendig.

 (Text nach Inhalten von Josef Gunter aus: Die Walser, ein Arbeitsheft für Schulen, Verlag Wir Walser, 3. Auflage, 1998)


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