Religion in Bosco Gurin
Der katholische Glaube und die religiösen Riten (und auch abergläubische Abweichungen) waren während Jahrhunderten ein bestimmender Faktor des täglichen Lebens. Gemeinschaftsbildend wirkte die tägliche Morgenmesse: Die Männer sassen barhäuptig vorn in der Kirche, die Mädchen und Frauen mit bedecktem Kopf. Sie trugen ein Panètt (Kopftuch) oder eine Maschwendlu (Messwindel = gesticktes weisses Leinentuch). Abends fanden sich vorwiegend Frauen zum Roosuchrånz (Rosenkranzgebet) ein.
Den christlichen Gebräuchen und Riten wurde oft magische Wirkung zugeschrieben: Das Lesen des Johannes-Evangeliums verhinderte Gewitter, der Segen des St. Antonius liess entlaufenes Vieh zurückkommen und heilen. Prozessionen halfen gegen Lawinen und Seuchen und das Öffnen des Reliquienschreines half sogar den Schmugglern aus dem Pomatt. Es gab aber auch weitere Kräfte: Vor allem die Allgegenwart der Ǻårmaseelu wurde oft angerufen: Beim Heuen oder beim Tragen. „Arm“ waren die Seelen wohl wegen der Angst vor dem Fegefeuer. Zu Ǻllarheilagu durften sich die Kinder nicht auf den Ofen setzen, da die Ǻårmuseela dann dort weilten.
Auch böse Kräfte waren am Werk. Die Nacht war voller Geischtar, so dass man riet, nachts nicht einmal die Hand zum Fenster hinaus zu halten. Bestimmte Orte mied und fürchtete man. Vor allem aber gab es in den Sagen auch Tijfla. Nur das Quatemberfasten alter Frauen bewog t Löwwanutijfla (Lawinenteufel), das Dorf zu verschonen. Geweihte Gegenstände hinderten ihr Eindringen in die Wohnung. Das Blut der Madonna von Re im Centovalli ermöglichte, einem Mädchen den bösen Geist auszutreiben. Bei ernsten Krankheiten drehte man die Gebeine von Reliquien und die Pest bannte man in verstopfte Löcher des Hauses. Erst die um die Wende zum 20. Jh. aufgewachsene Generation löste sich von solchen magischen Vorstellungen.