Brand
Es gibt nur wenige Walsersiedlungen, sei es in Vorarlberg oder den
anderen Siedlungsgebieten der Walser, die ihre Gründung urkundlich so
genau belegt haben wie Brand. Der Verleihungsbrief vom 7. Dezember 1347
nennt nicht nur die Namen der ersten zwölf Kolonisten, sondern gibt
auch die Gemarkungen des Siedlungsgebietes sowie den festgesetzten
Lehenszins an. Die Lehensurkunde selbst ist nicht erhalten, aber eine sogenannte
Vidimusurkunde, das ist eine gerichtlich beglaubigte Abschrift, die am
7. Juni 1580 von Hanns Hartmann, dem Ammann und Richter der Herrschaft
Sonnenberg, ausgestellt worden ist. Anlass dazu war eine Klage des
Pfarrers von Bürs, Johannes Benntz, gegen die Brandner Walser, wonach
diese ihren vertraglich eingegangenen Zinszahlungen nicht mehr
nachkommen würden. Das ist begreiflich, waren doch seit der Verleihung
schon über 200 Jahre vergangen, und unangenehme Verpflichtungen geraten
leicht in Vergessenheit.
Bemerkenswert ist, dass die "Vnderthan ze Bürs", also die Bürser
selbst, die Lehensgeber waren, während der Landesherr lediglich den
Vertrag zustimmend besiegelte. Diese Tatsache lässt auf eine bereits
große Eigenständigkeit der Menschen in der Herrschaft Sonnenberg
schließen.
Da es sich beim "Thal, gehaissen Vallawier" um eine noch sehr
unwirtliche und unwegsame Urwaldlandschaft handelte, war der Lehenszins
auch dementsprechend niedrig. Der jährlich zu entrichtende
"Martinizins" von 21 Vierteln Schmalz, gemeint ist sicher Butter,
entspricht einer Gewichtsmenge von 212,5 kg mit einem heutigen Wert von
etwa 300 €. Hinzu kam noch der Geldzins von 12 Pfund Pfennig Konstanzer
Münze, dessen Wert aber nicht mehr als 70 € betragen haben dürfte. (Ob
die Bürser heute das Tal auch noch um einen so geringen Zins hergeben
würden?)
Die zwölf angeführten Erstsiedler werden, nachdem sie ihre neue Heimat
ausgekundschaftet und erste einfache Wohnstätten und Stallungen
errichtet hatten, ihre Frauen und Kinder sowie das Vieh ins Tal geholt
haben. Über den Weg, den sie dabei genommen haben, gehen die Meinungen
auseinander: vom direkten Weg aus dem Prättigau über den Lünersee bis
zum Zugang über Bürserberg und den Hof nach Brand lässt sich aber keine
der Behauptungen beweisen. Von den in der Urkunde angeführten Namen der
Lehensnehmer ist in Brand keiner mehr anzutreffen.
Die Walser waren ausgesprochene Viehbauern und benötigten daher
ausreichende Futtervorräte für den langen Winter. Deshalb rodeten sie
große Flächen des fast undurchdringlichen Urwaldes. Sie schufen so die
weiten Wiesenmatten, die heute noch dem Tal das Gepräge geben.
Jahrhundertelang änderte sich wenig an der anspruchslosen Lebensweise
der Brandner Bauern. Wenn sie auch in einem ständigen Kampf mit den
Unbilden der Natur standen, so führten sie doch ein freies, gesundes
Leben in einem landschaftlich reizvollen Bergtal. Erst mit dem
Aufkommen des Alpinismus und des Sommerfremdenverkehrs in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts änderte sich das. Als später Brand auch
für den Wintertourismus erschlossen wurde, übertraf der Fremdenverkehr
bald die Landwirtschaft an wirtschaftlicher Bedeutung. Heute ist Brand
ein vielbesuchter Ferienort mit allen Einrichtungen eines modernen
Fremdenverkehrsortes und einem soliden Wohlstand. Wir haben daher allen
Grund, uns dankbar unserer Vorfahren zu erinnern, die vor nun 650
Jahren den Grundstein für unseren schönen Heimatort gelegt haben.